Der seelische Schmerz nach einer Amputation hat oft auch eine neurologische Dimension, den sogenannten Phantomschmerz. Betroffene spüren das verlorengegangene Körperteil auf unterschiedliche Weise: es kribbelt, sticht oder brennt dort, wo eigentlich nichts mehr ist. Etwa 60 – 80 % aller Amputierten kennen dieses Phänomen und das Unbehagen, das mit ihm verbunden ist. Früher hielt man diese Schmerzen für eingebildet, weil man sie sich nicht erklären konnte. Inzwischen weiß man über die Grundlagen der Schmerzwahrnehmung und der Schmerzverarbeitung besser Bescheid:
Tatsächlich hängt der Phantomschmerz damit zusammen, dass es im Gehirn neben einem Schmerzgedächtnis eine Region im Bereich der Großhirnrinde gibt, die für das Fühlen bzw. die Sinnesempfindungen verantwortlich ist. Man nennt diese Region, in der die eingehenden Sinnesreize der unterschiedlichen Körperteile erfasst werden, den sensomotorischen Kortex.
Fehlt der Zustrom dieser Sinnesreize, weil ein Körperteil plötzlich nicht mehr vorhanden ist, wird das dafür ursprünglich zuständige Gebiet nicht etwa automatisch abgeschaltet, sondern umorganisiert. Es erhält nun z.B. (Fehl-)Informationen aus der Nachbarschaft oder Erinnerungsspuren aus dem Schmerzgedächtnis. So fließen also unerwartet frühere Erfahrungen in die Schmerzentwicklung ein. Gleichzeitig wird der Schmerz durch aktuelle psychische Faktoren mitbestimmt und verstärkt sich z.B. bei starker emotionaler Anspannung, Stress und/oder Depression.
Mögliche Ursachen für Phantomschmerzen auf einen Blick:
- Fehlinformationen aus benachbarten Hirnregionen
- Erinnerungsspuren aus dem Schmerzgedächtnis
- Aktuelle psychische Faktoren