Prothesen – Künstliche Ersatzteile für Arme, Beine und Co

Prothesen sind künstlich geschaffene Körperteile oder Gliedmaßen, die so gut wie möglich die Funktion des fehlenden Körperteils übernehmen sollen.
© Seeger - Das Gesundheitshaus / Anja Dorny

Was ist eine Prothese?

Eine Prothese stellt ein "Ersatzteil" für Gelenke oder Körperteile (z.B. Arme oder Beine) dar, die ihre Funktion nicht mehr ausreichend wahrnehmen können. Es gibt unterschiedliche Arten von Prothesen: Exoprothesen und Endoprothesen.

Aufgrund von Verschleißerscheinungen oder Verletzungen können Organe oder Gliedmaßen so schwer geschädigt werden, dass sie amputiert bzw. entnommen werden müssen.

Aber auch bei Geburtsfehlern und weiteren Krankheiten kann es zu solchen Komplikationen kommen.

Abhilfe schafft eine Prothese, also ein künstlicher Ersatz, der das fehlende Organ oder die fehlenden Gliedmaßen ersetzen soll und die natürliche Funktion nachbildet. Der Betroffene erhält dadurch ein Stück an Lebensqualität und Selbständigkeit zurück.

Prothesen: Vom Holzbein bis zur Steuerung per künstlicher Intelligenz

Bis in die Neuzeit hinein waren Prothesen meist aus Holz, Leder oder Metall gefertigt. Ab dem 19. Jahrhundert waren es bereits sehr ausgefeilte mechanische Kunstwerke, die das Treppensteigen sowie einfache Greifbewegungen der Hand erlaubten. Heute werden Prothesen – dank neuster Fertigungstechnologien – überwiegend aus unterschiedlichen Kunststoffen hergestellt, wobei das Grundgerüst oft weiterhin aus Metall besteht. Die Vision ist aber eine ganz andere: Prothesensteuerung allein durch Gedanken – daran arbeiten derzeit fast 100 Forschergruppen.

Prothesen können aus folgenden Materialien bestehen:
 

  • Kunststoff
  • Holz
  • Carbon
  • Leder
  • Metall

Welche Arten von Prothesen gibt es?

Grundsätzlich werden zwei Formen der Prothesen unterschieden. Es gibt Exo- und Endoprothesen. Die Vorsilben zeigen ihre Lage im Körper an.

  • Exoprothesen befinden sich außerhalb des Körpers, z.B. Hand-, Arm-, oder Beinprothesen.
     
  • Endoprothesen befinden sich im Körperinneren. Sie werden implantiert und verbleiben dauerhaft im Körper. Beispiele sind künstliche Gelenke wie Knie- oder Hüftprothesen, aber auch der Herzklappenersatz ist so ein künstliches Produkt.
     
  • Offene Implantate: Diese werden im Körperinneren befestigt, ragen aber nach außen. Dies ist z.B. bei Zahnimplantaten der Fall, aber auch Beinprothesen können manchmal auf diese Weise montiert werden.


Es folgt ein kurzer Überblick auf die häufigsten Exo- und Endoprothesen.

1. Beinprothesen und Fußprothesen

Beinprothesen müssen die Beweglichkeit des Betroffenen möglichst gut wiederherstellen. Es gibt die Unterschenkelprothesen, die an den gesunden Oberschenkel angebunden werden. Diese müssen einen großen Teil des Körpergewichts tragen und ganz individuell auf den Träger eingestellt werden, um so einen sicheren Gang zu ermöglichen. Komplizierter wird es hingegen beim Oberschenkel. Dieser ist die wichtige Verbindung zum Unterschenkel, dem Fuß oder dem einzelnen Zeh. Eine Oberschenkelprothese muss daher sehr viele Abläufe ersetzen.

Unsere Füße tragen uns, sie sorgen für einen sicheren Stand und ermöglichen uns das Fortbewegen. Die Besonderheit bei der Fußprothese ist ihr Aussehen: der Fuß wird nicht anatomisch korrekt nachgebildet, sondern nur grob modelliert – ein Fortschritt, denn früher kamen hier oft Holzbeine zum Einsatz. Mit den neuen Prothesen ist ein sicherer und reibungsloser Gang möglich, andere Gelenke werden dabei nicht zusätzlich belastet.

2. Armprothesen und Handprothesen

Die Arme des Menschen sind durch ihre Funktionalität und ihre zahlreichen Aufgaben schwer durch künstliche Produkte zu ersetzen. Die Oberarmprothese beispielsweise muss von der Schulter bis zur Hand in mehrere bewegliche Partien aufgeteilt sein, damit sie die Funktion eines gesunden Arms möglichst optimal ersetzt. Unterarmprothesen können aktiv oder passiv sein: Sie können einfach nur einen ästhetischen und keinen funktionalen Zweck haben oder sie sind mit feinster Sensorik ausgestattet und Betroffene können dadurch sehr gezielte Bewegungen ausführen.

Zugreifen, Festhalten, Drücken oder Gestikulieren – all das kann unser Wunderwerk Hand. Handprothesen müssen diese Kraft und kleinste Bewegungen ersetzen können. Aber auch für einzelne Finger können künstliche Teile nach Verlust Ersatz bieten und nicht nur für den kosmetischen Zweck.

3. Offene Implantate

Zahnprothesen gibt es in zahlreichen Arten und Formen – sie sind meist so individuell wie ihr Träger. Sie können entweder komplett herausgenommen werden oder bestehen aus einer Kombination eines fest verbauten Bestandteils im Kieferknochen und einer abnehmbaren Prothese. Zu offenen Implantaten zählen aber auch Nachbildungen von Ohrmuscheln.

Der Einsatz künstlicher Körperteile: Von der Amputation zur Anpassung der Prothese

Der Verlust eines Körperteils ist in der Regel Folge einer Amputation. Die Grundlage für eine gute prothetische Versorgung ist daher eine gute Amputation, d.h. eine gelungene Wundheilung und Stumpfformung. 

Die Ärzte werden immer versuchen, so viel Gewebe wie möglich zu erhalten, besonders die Gelenke, die für die Bewegung der Gliedmaßen von entscheidender Bedeutung sind. Die Formung eines solchen Stumpfes geschieht durch eine spezielle Bandagierung mit dem Ziel, ein Abschwellen des Stumpfes und eine möglichst zylindrische Form zu erreichen. Der Stumpf erhält dann eine elastische Hülle aus Silikon, den sog. Liner. Er bildet die Verbindung zur Prothese. Welche Prothese die Betroffenen später tragen, richtet sich in erster Linie nach ihren Wünschen und nach ihrer Mobilität, d.h. danach, wie gut sie sich mit der Prothese bewegen können. Dies ist nicht von Anfang an klar und von verschieden Faktoren abhängig, nicht zuletzt von einer guten Nachsorge.

Das Vorgehen bei einer Prothesenversorgung

Idealerweise sollte eine Rehabilitation nach einer Amputation mit Prothesenanpassung in zwei Stufen erfolgen:

1. Stufe 

Eine frühe Rehabilitation, bereits zwei bis drei Wochen nach der Operation, bei der pflegerische Aspekte, Kraft- und Gehtraining im Vordergrund stehen und der Betroffene mit einer „Übergangsprothese“ versorgt wird. So lernt er auch, damit umzugehen.

2. Stufe 

Es schließt sich eine zweite Rehabilitation an, etwa vier bis sechs Monate später, in der überprüft wird, wie sich der Betroffene in seinem Alltag bewegen kann. Auch das Gangbild wird analysiert. So lässt sich eine definitive Prothese verordnen, anpassen und erproben, die den Fähigkeiten und Bedürfnissen ihres Trägers entspricht.

Damit ist die Rehabilitation jedoch nicht abgeschlossen, sondern geht in eine mehrmonatige ambulante Nachsorge über. Deren Ziel ist eine Festigung und ggf. weitere Verbesserung des Behandlungserfolgs nach der Rückkehr ins heimische Umfeld. Die Nachsorge beinhaltet wiederum folgende Punkte:

  • Die Überprüfung der Prothese auf Funktion, Sitz und Verschleiß, eventuelle Anpassung der Prothese bei Veränderungen wie etwa der Aktivität oder des Gewichts des Betroffenen oder Anfertigung einer Zweitprothese.
     
  • Die Verbesserung der Geh- und Standfähigkeit, auch durch regelmäßige Teilnahme an Gangschulungen, sowie die
     
  • Behandlung von Stumpf- bzw. Phantomschmerzen.

 

So erhalten Sie Ihre ganz individuelle Prothese

Dieser Prozess braucht nicht nur die Mitarbeit des Betroffenen, sondern den engen Austausch mit ihm über seine Ziele und Wünsche sowie den Austausch aller beteiligten Berufsgruppen. Daher ist es wichtig, sich – nach Möglichkeit schon vor der Amputation bzw. unmittelbar danach – ganz gezielt über die entsprechenden Behandlungs- und Versorgungsangebote zu informieren. Neben Ärzt*innen und Krankengymnast*innen spielt der/die Orthopädietechniker*in bei der Prothesenversorgung eine entscheidende Rolle. Die/der Orthopädietechniker*in berät bei der Auswahl der Prothesenpassteilen, fertigt und wartet die Prothesen.

Prothesen werden heute nicht länger aus einzelnen, wenigen Komponenten gefertigt, sondern nach einem Modularprinzip, das viel flexibler ist und in etwa wie ein Baukasten funktioniert: einzelne Konstruktionselemente der Prothese können ausgetauscht werden, wenn sie verschlissen sind oder sich die Bedürfnisse des Trägers verändert haben. Bei einem stark sturzgefährdeten Beinamputierten, der sich so gut wie ausschließlich nur in den eigenen vier Wänden bewegt, wird die Prothese stärker auf Gang- und Standsicherheit ausgerichtet sein, bei einem sportbegeisterten Beinamputierten hingegen auf die schnelle Umsetzung der Bewegungen.

Die grundlegenden Anforderungen an Prothesen

Prothesen sollen passen und die Beweglichkeit so gut es geht wieder herstellen. Deswegen müssen sie gewisse Grundanforderungen erfüllen, nämlich:

  • stumpfschonend sein, d.h. weder die Durchblutung verhindern noch Schmerzen verursachen oder zu Verletzungen führen, 
  • einen Längenausgleich bewirken, d.h. nicht zu Fehlhaltungen führen
  • gut und verlässlich am Körper haften
  • die Kontrolle der Bewegungen ermöglichen
  • die Gebrauchssicherheit garantieren
  • kosmetischen Anforderungen entsprechen


Eine gut angepasste, passende Prothese sorgt für ein „reibungsloses“ Ineinandergreifen von künstlichem und erhaltenem Körperteil und eine ausgeglichene Druckverteilung.

Sie richtet sich dabei nach dem:

  • Aktivitätsgrad des Betroffenen, wie im obigen Beispiel skizziert
  • seinem Körpergewicht
  • gleichzeitig auch nach den Eigenschaften des Stumpfes
  • sowie des verbliebenen bzw. zu ersetzenden Gelenkes


Jede Prothese kann und sollte so individuell gefertigt werden, dass sie den Anforderungen der Anwenderin bzw. des Anwenders gerecht werden kann.

Das müssen Sie beachten: Besonderheiten bei der Beantragung von Prothesen

Trotzdem werden Prothesen oft nicht „angenommen“. Man spricht in diesem Zusammenhang – etwas salopp – vom Phänomen der „Schrankprothese“. Dieser Ausdruck täuscht leicht über den Leidensdruck der Betroffenen hinweg. Denn im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, sind in Deutschland ambulanter und stationärer Bereich leider nach wie vor nicht gut miteinander vernetzt.

Dies gilt gerade auch für die Nachsorge bzw. rehabilitative Behandlungen, die häufig nur zeitversetzt wahrgenommen werden können, oft nicht wohnortnah sind und zudem – insbesondere für schwierigere Genesungsprozesse – zu kurz bemessen. Dies liegt zum Teil an der wechselnden Zuständigkeit unterschiedlicher Leistungsträger (Krankenkassen, Pflegeversicherung, Rentenversicherung, Unfallversicherung, Berufsgenossenschaft), aber auch daran, dass der Blick der heutigen Medizin sehr stark auf operativ-technische Aspekte bzw. Erfolge gerichtet ist. Hier empfehlen wir einen Anruf bei der Krankenkasse oder ein beratendes Gespräch mit dem Arzt Ihres Vertrauens. Dabei bekommen sie mögliche Wege und Unterstützung aufgezeigt.

Der Verlust eines Körperteils – Suchen Sie sich Unterstützung bei Ihrer Behandlung

Krankheit und Genesung sind davon aber nicht allein abhängig, sondern entstehen aus dem Zusammenspiel körperlicher, seelischer und sozialer Faktoren. Inzwischen weiß man, dass Amputation bei allen Betroffenen zu depressiven Stimmungsbildern führt. Dies ist natürlich nachvollziehbar. Wie lange der Betroffene aber braucht, um die Niedergeschlagenheit zu verlieren und von einer Prothesenversorgung gut zu profitieren, hängt von seinen individuellen Krankheits- und Lebensumständen ab.

Versuchen Sie also, so früh wie möglich Unterstützung zu finden, um sich über die Art Ihrer Behandlung, Ihre eigenen Wünsche und Ziele im Klaren zu werden. 

Es gibt dafür unterschiedliche Anlaufstellen. Neben Ihrem Hausarzt können dies z.B. Pflegestützpunkte sein, in denen die Zuständigkeiten der Leistungsträger „sortiert“ werden, aber auch Selbsthilfegruppen, die den Austausch mit Betroffenen ermöglichen. Prothesen sind anerkannte medizinische Hilfsmittel, müssen als solche jedoch medizinisch gezielt begründet und verordnet werden. Über das wie, wer und wann informieren auch hier die o.g. Stellen sowie der Sozialdienst von Akutkrankenhäusern und Reha-Einrichtungen.

 

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